Theater AG der Mittel- und Oberstufe
„Der Mensch muss das Gute und Große wollen, das Übrige hängt vom Schicksal ab“ – diese Worte Alexander von Humboldts geben einen ersten Einblick in das Innere eines Menschen, der seit frühen Kindheitstagen im Schatten seines großen Bruders, dem Staatstheoretiker und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt, stand. Das Schicksal war Zeit seines Lebens ein ständiger Begleiter Alexanders, welches ihn prägte, und vor allem das zerrüttete Verhältnis zu seinem Bruder verdeutlicht. Wer war dieser Naturforscher und Wissenschaftler, der zu seinem 250. Geburtstag ein erkenntnisreiches Erbe hinterließ, das uns heute noch staunen lässt?
Dieser Frage ging die Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums Schweinfurt, unter Leitung von Sina Höfer und Isabel Cimander, zu Ehren ihres Namenpatrons am 04.06.2019, in einer einzigartigen, tiefgründigen Synthese aus Humboldts wissenschaftlichem Wirken und seiner Persönlichkeit nach.
In knapp 60 Minuten wurde den Zuschauern ein außergewöhnliches Schauspiel von talentierten und ausdrucksstarken Darstellern präsentiert. Hierbei fokussierte die Theatergruppe verschiedene Schlüsselstellen im Leben Alexander von Humboldts, die das Leben des jungen Wissenschaftlers prägten.
Gleich zu Beginn des Stücks, in der ersten Szene, beeindruckten die Schauspieler mit der Darbietung des ungleichen Brüderpaares Alexanders und Wilhelms im Unterricht durch Hauslehrer, hervorgehoben durch chorartige Verstärkung und Inszenierung. Der Zwist der beiden Brüder gipfelte in einem pantomimisch dargestellten Szenenabschnitt, als Alexander fast ertrank und Wilhelm ihm hierbei unbeeindruckt und tatenlos zusah. Das zarte, kaum sichtbare brüderliche Band, war hernach für immer zerrissen und sollte nie mehr zusammenwachsen können.
Alexanders Suche nach den Naturgesetzen dieser Welt ist, trotz der schlimmen persönlichen Erfahrungen, geweckt, er beginnt in den folgenden Szenen, seiner Berufung nachzugehen. Auf seinem Weg gewinnt er Wegbegleiter bei den „Tugendbündlern“, ein literarischer Salon um Henriette Herz, der ihm Kontakt zur jüdisch geprägten Berliner Aufklärung verschaffte und seine Vision weiter stärkte.
Aufbruch zu neuen Ufern – Alexander verlässt „weltsüchtig“ mit Bonpland, dem französischen Naturforscher und Expeditionsgefährte Humboldts, Europa und bricht nach Südamerika auf. Als einschneidendes Erlebnis wird die Besteigung des Chimborazo in Ecuador dargestellt, welche unter widrigsten Bedingungen stattfand. Die fast wahnsinnige und akribisch genaue Dokumentationssucht von vulkanischen Eruptionen und Botanik durch Alexander gipfelte in der sinnbildlichen Besteigung jenes Vulkans, dargestellt und verstärkt durch die frierenden Darsteller, die den Wahnsinn dieser Expedition akustisch und gestalterisch untermalten. Alexander, von mehreren Darstellern metaphorisch vervielfacht, blüht in seinem Wahn auf, während Bonpland, von der Höhenkrankheit gebeutelt, dem Tode näher als dem Leben zu sein scheint.
Seine Eindrücke und Erfahrungen hinterlässt Humboldt in den folgenden Szenen in Form Briefen in die Heimat, in denen er von fremder Lebensart und Kannibalismus berichtet. Auch hier wird Alexander als Querdenker und Forscher gezeigt, der entgegen den Vorurteilen der Menschen seiner Zeit gegenüber dem Fremden, sich zu einem toleranten und reflektierenden Mitmenschen entwickelt, und der, wie Kant es formulieren würde, den Mut hat, sich seines eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Abschließend stellt sich Alexander, erneut dargestellt durch das ästhetische Mittel der Vervielfältigung, in einer Selbstreflexion seinen Expeditionserfahrungen und stellt fest, dass „je mehr er versuche, seinen Wissensdurst zu stillen, dieser umso größer wurde und der eigentliche Zweck seiner Forschung nicht jener ist, vollkommenes Wissen zu erlangen, denn das ist unmöglich.“
So bleiben Alexander und auch wir als Zuschauer „hoffnungsvoll weltsüchtig“ zurück.
Susanne Burger